Montag, 3. Juli 2006

erste verhandlung

Tag um tag schleppte sich mühsam voran. meine eltern schickten mir einige tücher, dunkel, aus wolle, aus seide und aus einem dieser kunststoffe, wie sie gerade modern wurden. das weiß der wände wechselte mit dem weiß der bediensteten, dem weiß der zimmerdecken und der konturlosen landschaft hinter ebensolchen gardinen. meine wirklichkeit bestand aus schlaf, sehr viel davon, aus essen, ebenfalls reichlich und besinnung.

und wieder befand ich mich in einer gruft, in diesem mausoleum für die verirrten, hier musste ich hausen, verschlungen vom allgegenwärtigen weiß. ausgesperrt die freuden des lebenden, lebendigen, die musik, die dichtkunst, tanz und erzählen. meine einzige erbauung lag in der betrachtung des dientsmädchens, welches uns das essen bescherte und einem gelegentlichem blickwechsel zwischen dem alten zittergreis und der rotwangigen matrone, welche meinen stuhl am esstisch flankierten. Das klappern der löffel bei tisch ward mir zum tönenden komplizen. seltener anspruch an mein hören, nur schwester hildegard warf mir gelegentliche wortfetzen entgegen, kurze befehle, die tageszeit, hin und wieder ein blechernes lachen aus bläulich-weißen lippen.

so rettete ich mich zwischen licht und schatten, schweigen und starren ins neue jahr. Auch der neujahrstag war durchwoben von einer milchigen stille, dumpf schollen geräusche aus der küche herauf, auf den gängen vernahm man das schlurfen der gebeugten, und mir war, als ginge ein zirpen und ein flüstern durch die rohre der zentralheizung. ich lag rücklings in einem meiner leinenkittelchen auf dem bett und warf mit meinen händen schattenspiele auf das weiß der zimmerdecke. da ging der schlüssel, schwester hildegard trat ein dr. brodesser meint, es sei an der zeit für ein ausführliches gespräch.

ich wäre barfuß durch den schnee gewandert, bis ans ende der welt wär ich gereist für ein paar worte. doch es war ja nur die treppe hinab durch die halle und ein stück weit den korridor hinunter.

dr. brodesser saß nicht unter seinem bild. er stand am fenster und umklammerte die gardine wie ein bootsmann das segeltau. schwester hildegard schloß lautlos die tür. nun stand ich da mitten im zimmer unter einem kronleuchter, dessen kristalle glänzten wie gletschereis in der untergehenden wintersonne.

„nun, mein kind. ich habe gehört, es geht dir besser.“ und ohne sich umzudrehen fuhr er fort. „du isst manierlich, deine blutwerte sind bemerkenswert, ich denke, es ist an der zeit, dass wir beide uns einmal ein wenig besser kennenlernen.“ ich sehe ihm fest in die augen. seine brille wirft meinen blick zurück. doch hinter der reflektion entdecke ich eine unbestimmte gier, wie sie sich auflöst in schimmerndem tränenwasser. ein gieriges krokodil, lauernd im schilfgras. das opfer, frohgemut und unbedacht. gerissen, genommen. „wie oft?“ er versteht nicht. „wie oft soll ich ihnen zu willen sein, damit ich hier rauskann.“ er senkt für einen moment den kopf, dann schaut er empor als fände er die antwort im schimmernden kristall. er nähert sich, ich kann ihn atmen, er verspricht mir leben, freiheit. liebe als materialismus, eine wunderbare idee. zwei rosstäuscher verhandeln ihr gelüst. er umschlingt mich, küsst mich in die ecke, atmet mich gegen die wand. fest greife ich seinen arm, mit der kraft des bedrohten schafes drücke ich ihn zurück, fixiere seinen blick. „erst die antwort.“ „wie kann ich denn, habe ich die ware doch noch nicht getestet.“ „und wenn sie gefällt, was sind meine garantien“ „du musst vertrauen.“ „ich will den schlüssel. den zu meinem zimmer.“ „es ist zu deinem schutz. man weiß doch nie, wes wirrer geist ..“ „dann schließ ich ab. von innen.“ und ich nehme seine hand, lecke seine fingerspitzen. dann erlaube ich sie an meinen busen. er atmet mich und ich atme ihn und sauge seine fingerspitzen und sie wandern und reiben meine scham und ich taste nach seinem gürtel und entblöße seinen unterleib und nehme sein glied zwischen meine brüste und lasse ihn tanzen, ganz sanft, auf und nieder und meine hände greifen und sein glied tanzt und kreist zwischen meinen brüsten und meine knospen blühen auf und er tanzt den tanz der kobra, wiegt auf, wiegt ab und vor und hoch und presst und reibt und wir sinken und sinken und sinken.

und ich liege auf meinem bett, beobachte das schattenspiel meiner hände an der zimmerdecke und die tür ist verschlossen und ich sehe den schlüssel, wie er steckt, dort im schloss...

Montag, 26. Juni 2006

abendmahl

Ich musste wohl eingeschlafen sein, ich weiß nicht, wie lange. schwester hildegard stand wieder im zimmer. es sei nun essenszeit, und ob ich nicht etwas hätte, womit ich mein kahlgeschorenes haupt bedecken könne. schließlich sei man hier nicht in einem lager und gebe es sehr wohl einige seelisch derart instabile mitbewohner; schon die kleinste aufregung und wochen der rekonvaleszens seien vergebens. nicht einen gedanken hatte ich daran verschwendet, wie meine äußere erscheinung auf andere wirken möge. und auch dr. brodesser war sie nicht eines kommentares wert. schwester hildegard verließ raschen schritts den raum und kehrte sogleich mit einem taubenblauen seidenschal zurück. den borg ich dir, kind und morgen telegrafier ich nach deinen eltern, damit sie dir etwas eigens schicken können. in der ecke hatte ich eine waschgelegenheit entdeckt, ein schmales porzellanbecken, darüber eine ablage für zahnbürste und dergleichen. ein spiegel aber fehlte. ich wusch mir die hände und benetzte mein gesicht. dann band ich mir den schal um den kopf gleich als einen turban, schlüpfte in meine pantoffel und schritt in meinem nachtkittel stolz wie ein beduine aus dem zimmer.
nichts in dem großen würdigen hause erinnert an das christfest. kein zweiglein, keine englein wie sie meine mutter so gern überall in der stube herum stellte, große als kerzenträger, kleine hölzerne oder auch aus porzellan, fliegende hölzerne mit wattehaaren, welche an tannenzweigen schwebten. der schönste aber thronte jedes jahr auf seinem ehrenplatz hoch droben auf der spitze unseres christbaums.

im speisesaal saßen sieben personen, fünf männer und zwei frauen. sie sprachen nicht, sie bewegten sich nicht einmal, saßen stumm an einer großen tafel. auch hier ein alles dominierendes weiß, die stühle, das tischtuch, die teller, die trinkbecher und selbst die serviettenringe. der raum war vollkommen schmucklos, keine kerzen, keine bilder an den wänden, nichts, was die patienten in ihrer genesung hätte ablenken können, in ihnen düstere ahnungen anstoßen oder dergleichen unvorhergesehener dinge, welche das konzept des dr. brodesser störten. nur die weißen gardinen und ebensolche vorhänge schienen gestattet, diensten womöglich dazu, die welt vor den fenstern ebenfalls in ein alles verschluckendes weiß zu tauchen.

schwester hildegard führte mich wortlos zu dem einzigen freien stuhl an der stirnseite des tisches. ich setzte mich zwischen einen gelbbleichen zittrigen greis und einer üppigen matrone mit hochroten wangen, faltete meine hände in den schoß und starrte genau so stumm wie alle anderen auf das tischtuch vor mir, in der hoffnung, es handele sich um ein tischlein-deck-dich, auf das man nur lange genug schauen muss und es erscheinen einem die fantastischsten speisen. doch nichts geschah.

messer und gabel fehlten und neben dem teller lag bloß ein löffel, so dachte ich denn, es gebe wohl suppe oder einen griesbrei. und da war auch schon ein klappern zu hören, so wie es klappert, wenn edda, unser dienstmädchen mit dem servierwagen vorfährt. und wirklich, auf dem wagen standen drei große schüsseln, dampfend und wie war ich erstaunt, als ich sah, was sie enthielten: in der einen dampften salzkartoffeln vor sich hin, in einer zweiten purzelten erbsen und runde möhrchen rföhlich durcheinander und in der dritten war ein gar köstlich duftendes gulasch.

die servierschwester war jung, kaum älter als ich selber. Ihre flachsblonden haare waren zu schnecken um den kopf geflochten, darüber trug sie ein keckes häubchen. ihre beine waren kräftig vom vielen laufen, die strümpfe, wie alles hier, weiß, weiß das gestärkte kittelchen, weiß auch das steife schürzchen, welches sie straff um ihre unwahrscheinliche taille gebunden hatte. zu gern hätte ich sie berührt. wie sie mir nahe ist, erst die kartoffeln auf den teller, dann kullert das gemüse – sie schaut mit kulleraugen – und zuletzt, da lächelt sie und gibt mir zweimal vom gulasch und lächelt wieder und schaut und kullert und ich möchte sie greifen, ihre knie küssen, ihre hände, die den schöpflöffel halten, mit der zunge die zarten knöchel ertasten unter dem sprenkel von sauce, ihren bauch an meinem, die zarten knospen ihres busens spüren, wie sie fest werden, den hals schmecken. und sie geht weiter zu dem tattergreis und lächelt, lächelt durch ihn durch, es ist mein lächeln, meins, meins, meins. nur für mich.

jetzt ist sie fertig. die schüsseln stehen auf dem servierwagen. sie sind leer. man hat strenge regeln. dies ist ein geordnetes haus. jede störung bedeutet schaden für den patienten. die seele ist ein empfindliches organ. es braucht schonung. ein gong sagt, ihr dürft essen. die messer und die gabeln, es wird sie nicht geben. alles ist zum schutze der patienten.

so essen wir schweigend. alles ist schweigen. und der schnee draußen in der weihnachtsnacht, der schluckt alles, was sonst hätte klingen können. und mit den pantoffeln, da machen meine tritte keinen laut, nicht auf der treppe, nicht auf dem gang und nicht im zimmer. und ich nehme das tuch vom kopf und spüre, wie sie wachsen, die haare, sie sind hart und rauschen in meiner handfläche. schwester hildegard bringt einen nachttopf und einen becher wasser und dann schließt die tür und der schlüssel dreht im schloss, ganz schnell und ich bin wieder allein mit der stille.

Mittwoch, 21. Juni 2006

ferien

Rebecca war tot. unwiderbringlich verloren. hatte sich gerichtet, ihre unschuld wiederhergestellt. dies ereignis bescherte uns vorzeitige weihnachtsferien, ein bitteres geschenk, welches lange schatten warf, eine dunkelheit, die zu schwer auf mir lastete als dass ich sie lange ertragen hätte können. so saß ich schwermütig herum, aß nicht, sprach nicht, bedauerte meine freundin und vor allem aber mich selbst. biss mir die fingernägel ab und schor mir das haupt, verbrannte nägel und haare und rieb mir die asche über bauch und brust. drei tage später brachten meine eltern mich in ein krankenhaus. ein privates sanatorium unter der leitung eines gewissen dr. immanuel brodesser, einer unbestrittenen koryphäe auf dem gebiet der gemütskrankheiten.

so ward ich wieder der obhut fremder kräfte übergeben, die sich meiner charakterformung anzunehmen hatten, auch diesmal gegen ein passables entgelt. und wieder waren es über wohl und wehe wachende schwestern, mit adrett gesteiften hauben und wehenden weißen kitteln, durch einen unsichtbaren tränenschleier blickte ich hier ein zerrbild meiner selbst, die gruft jedoch nicht schwarz gedeckt sondern von einem hellen gelbton. die bettstatt im zentrum, ein lichtes weißlackiertes gestell aus metall mit einer festen matratze darauf, einer ebenso hellen decke, doch ohne nur ein einziges kissen, dafür mit ledergurten ausgestattet, zum schutz des personals, so hieß es, und vor allem der gäste vor sich selbst.

alles, was ich für meinen aufenthalt brauchte, (von dem ich allerdings nicht wusste, wie lange er währte) hatten meine eltern mir in einen großen, grünen lederkoffer gepackt. ein paar einfache nachtkittel aus grobem leinen und ebensolches unterzeug, wollene socken, filzpantoffel, eine graue strickjacke, meinen alten blassblauen morgenrock, den meine mutter am kragen schon mit gelbrosa flickwerk ausgebessert hatte - einen neuen zu besorgen war ich ihnen in meinem zustande wohl nicht wert - dazu ein einfaches, dunkelrotes samtkleid mit weißem spitzenkragen, ein paar weiße kniestrümpfe und schwarze lackschuh für den sonntäglichen kirchgang, darauf zu achten, dass ich diesen wieder aufnähme sobald es meine gesundheit zuließe war ärzten wie pflegepersonal von meinem vater dringlichst an herz gelegt worden:„buße tun, sie muss buße tun. wie soll sie sonst je wieder ihren frieden mit gott finden?“ und natürlich die kleider, welche ich trug, als ich gekommen war: unter einem schwarzen boucléecape ein graues winterkostüm aus wadenlangem rock und taillierter jacke, dazu eine schlichte weiße seidenbluse, ebensolche strümpfe und mein bestes unterzeug. wenigstens das hatte ich unter den wachsamen augen des elterlichen personals auf diese weise noch herausschmuggeln können. ich verstaute alles sorgsam in dem großen eichenschrank meines zukünftigen appartements und nun saß ich auf dem einzigen stuhl und wartete darauf, dass man mich dr. brodesser vorstellte. noch heute, so hatte er meinen bekümmerten eltern versprochen, würde er mich in augenschein nehmen.

jemand spielte klavier. dumpf klang es durch meine tür. ich öffnete sie – nicht verschlossen? und der raum füllte sich mit walzerklang, fröhlich kreiselte es durch die luft, lachen stieg hinauf, dann stimmen und klackern und wieder lachen und kreiseln.

„fräulein von d?“ da ist eine hand. ich nehme sie. „gestatten, dass ich mich vorstelle. ich bin schwester hildegard. kommen sie.“ musik. füße. die hand „dr. brodesser möchte sie kennenlernen.“ die hand befreit sich aus meiner. immer noch stehe ich bei der tür inmitten der musik. jemand hat vergessen, meinen mechanismus aufzuziehen. dann ist die musk verstummt. und wieder stehe ich vor einer tür. schwester hildegard klopft daran. dann geht die türe auf und ich hindurch und das zimmer hinter dieser tür hat mich geschluckt. dr. brodesser!

ein großer kopf vor einer holzgetäfelten wand, darüber ein porträt des selben kopfes – da war er noch ein wenig jünger, doch die haare sind gleich und auch die brille scheint die selbe nur die augen schauen anders, schauen mich, schauen durch mich, schauen an mir auf und ab dann sagen sie dem mund, er soll lächeln und dann sprechen und den mund sagt: „herzlich willkommen, junges fräulein.“ und dann lächelt er weiter, während die augen noch schauen, aber ohne brille. die liegt jetzt vor dem kopf auf einem schreibtisch, einem, wie ihn eine sehr wichtige person aufzustellen pflegt, mein vater zum beispiel. nun da liegt also die brille und schaut und kann nicht lächeln und ich kann nicht lächeln und mein mund will gar nichts sagen, doch dann tut er’s einfach und spricht, sehr leise: „guten tag“

und jetzt liegen da auch hände auf dem schreibtisch, große hände. bestimmt kann man damit gut klavier spielen und vielleicht auch führen beim walzer oder anderen tänzen. und untersuchen und tasten und messen und zusammen mit den augen herausfinden, was dem kranken fehlt. und der mund, der mich begrüßte, spricht weiter, spricht freundlich: „sie sind traurig, das hat ihr herr vater mir erzählt. ihre freundin ist...“ und ich schaue und mein mund zittert und die augen sehen nicht du der mund spricht weiter „nun, sie waren zugegen,. als ihre freundin freiwillig aus dem leben ging. sie müssen nicht darüber sprechen, wenn sie nicht wollen. noch nicht. aber ich würde gerne ein paar dinge über sie erfahren. sie sind oberschülerin? darf ich fragen, wie alt?“

„ich werde 18. am 16. januar.“

„dann machen sie jetzt ihr matura?“

„ja, das heißt...“

„wir werden sehen“ und dann will er, dass ich mich frei mache, bitte auch das leibchen und ein kaltes stethoskop saugt sich fest an meinem rücken. ich soll atmen und noch mal und tief und jetzt nicht und dann vorne und ich atme schneller, da ist es wieder, dieses gefühl, welches schuld ist an meinem zustand und der doktor blickt ernst und schüttelt den kopf und horcht und sagt „bitte jetzt nicht atmen“ und „das herz, es ist das herz. es flattert“. dann will er meine zunge sehen und mein mund ist trocken und die zunge blass und schleimig und ich brauche diät, am besten gleich. und schonung. und bäder. ja, es sei das herz. und auch der magen. Ich brauchte jetzt ruhe und gleich käme schwester hildegard und nähme etwas von meinem blut. und dann leuchtet er noch mit einem lämpchen in meine ohren, zieht mir die augenlider hoch und runter und leuchtet mich ein wenig blind und dann tanzen flecke im zimmer und da ist sie wieder, die musik. und der doktor, der ist ein großer mann, mit musikalischen händen und seine beine, die würde ich gern versuchen, wie sie tanzen können...

schwester hildegard holte mich ab und führte mich durch ein gewirr von korridoren zu einer weiteren tür. das labor. in meiner fantasie waren labore stets orte einer ansammlung seltsamer gerätschaften und elexiere, und in einer fernen ecke rußte ein öllicht. Dieser raum hier war weiß. weiß die fliesen auf dem boden und weiß gekachelt auch die wand. weißlackierte tür- und fensterrahmen, ein weißer ölanstrich über decke, wandfries und stuckarbeiten. Eine weiße pendelleuchte, weiße schränke. und hätte schwester hildegard nicht ihr gesicht getragen, der raum hätte sie geschluckt. und auch die pritsche, auf welcher ich platz zu nehmen gebeten wurde, war mit einem weißen leintuch bedeckt.

schwester hildegard holte einen ledergurt aus ihrer tasche, den band sie mir fest um meinen linken arm. sie bat mich, eine faust zu machen, träufelte etwas alkohol auf einen tupfer, benetzte meine armbeuge, um sie dann sanft und lange zu streicheln. blau quoll ihr die ader entgegen. wie von zauberhand stach plötzlich eine nadel und der rote saft floss reichlich in die bereitgehaltene kanüle.

„hier, nehmen und fest drücken“ ich nahm den tupfer und presste und dann durfte ich aufstehen und die schwester begleitete mich zurück auf mein zimmer. „abendbrot um sechs“ sagte sie noch. dann schloss sich die tür. der schlüssel drehte im schloss und ich war allein. ich zog meine kleider aus und schlüpfte in einen der nachtkittel. ich hatte ferien, ich war hier und legte ich mich auf mein bett und überlies mich meinen gedanken. ich starrte an die decke, lidschlaglos, bis die augen schmerzten, biss meine lippen, schmeckte warmes metall, der blick verschwamm, die augen wurden nass und ich weinte, und biss mich und die tränen machten mein gesicht nass, das kissenlose bett und fielen und draußen fing es leise an zu schneien: weihnachten

Sonntag, 18. Juni 2006

verloren

Seit jenem trüben novembertag war rebecca noch stiller, noch grauer und noch weniger geworden. mit mir sprach sie kaum noch, doch merkte ich bald, dass es ihr schwer ums herz war, wenn sie mich sah und so beschloss ich, nunmehr selbst das schweigen zu brechen und das auszusprechen, was über die lippen zu bringen ihr unmöglich war: von der besten freundin verraten. missbraucht! wie ein ding genommen, drapiert, geschoben und geschunden von einem eitlen, reichen gecken, dessen höchste lust es schien, als nackter eichelhäher in einer selbstgezimmerten gruft dem andenken seiner toten schwester zu huldigen, in dem er aufknospende junge klosterschülerinnen nach seinem gutdünken platzierte, um sich an ihren hilflosen zuckungen der unerfahrenheit zulaben. dass rebeccas zarte seele für derlei spiele nicht geartet war, hätte ich wissen müssen. und nur weil ich dieses spiel genoss, dieses wissen um die macht, allein mit meinem dasein männer dazu bringen zu können, sich mit ihrem gehabe der lächerlichkeit preiszugeben, nur wegen dieses kleinen, ersten triumphes war sie mir auf ewig verloren, mit ihrem körper, aber vor allem, mit ihrem herzen.

so schwor ich mir und auch ihr, dass die ereignisse jenes nachmittages für immer in meinem herzen verborgen bleiben sollten. kein wort würde meinen körper verlassen, niemand solle gelegenheit erhalten, den ersten stein auf mein herzblut zu werfen. herr im himmel, was nur, ja was hatte ich getan. ich wollte ihr meinen geldteil schenken, diesen judaslohn ohne vorsätzlichen verrat. sie wies ihn zurück, schlug mich ins gesicht, einmal, zweimal, dreimal, ich weiß nicht, wie oft, dann lief sie weinend in einen der waschräume, ich hörte es würgen und dann kotze sie und spuckte es aus, alles. den ekel, die scham und würgte und kotzte un spuckte und würgte alles empor, auf das nicht das kleinste bisschen seele mehr übrig bliebe.

dann kam sie heraus, griff sich das geld, nickte mir zu und ging. ging schweigend einfach hinaus. nie wieder sollte sie ein wort zu mir sprechen. und die tage vergingen, die uhren drehten sich, immer und immer wieder im kreis, von zwölf bis um neun, vom mitternacht bis zum wecken und meine lust schwand mit dem drehen der uhren.

advent. das kloster wimmelte von bizarrer geschäftigkeit. wir töpferten artige geschenke für brave verwandte. bald würde ich die eintönige betriebsamkeit der lehranstalt gegen die hysterische atmosphäre meines elternhauses tauschen müssen, sähe ihnen zu, den freudlosen angestellten, welche stets stumm und mit niedergeschlagenem blick durch die hohen duklen räume unseres hauses huschten, würde schweigen gegen schweigen tauschen. rebecca wühlte immer noch in meiner seele, ach bitte schenk mir einen blick, ein einziges freundliches wort, meine linke brust tät ich dir geben. doch alles, was rebecca tat, war schweigen. ihr schweigen betäubte meine ohren, meinen verstand. ich konnte nicht mehr essen, nicht lernen, nicht einmal das töpfern wollte mir noch freude machen. den regelmäßigen ausgang verbrachte ich allein. dabei hielt ich ausschau nach meinem eichelhäher, dem hahnrei mit dem kummerbund in der hoffnung auf ein wenig freude unten in seiner gruft. wie würde ich ihn krähen lassen, scharren und singen, immer wilder, immer höher flögen wir hinauf zu tausend sonnen. in seinen sarg würd ich ihn betten, zöge das magische schwert aus dem stein und dann sein geld aus der tasche. doch traf ich ihn nirgends.

weihnachten. dieses zauberwort für generationen. für mich bedeutete es trennung. von rebecca. auch wenn sie nicht sprach und auch nicht schaute so war ich ihr hier doch nahe. im schulzimmer, im schlafsaal, beim töpfern. und dann, eines abends, ich konnte nicht einschlafen, da hörte ich sie. rebecca, wie sie aufstand, sich aus dem schlafsaal schlich. ich ging ihr nach. ein fahler lichtschein brach sich in der knarrenden tür. ich hielt inne. kein laut. kein atmer. und dann: geräusche aus dem waschraum, würgen. schluchzen. wieder würgen. und leises stöhnen. ich drückte mich in eine ecke. still, nur still!

sie kam wieder heraus, mit wirren haaren, nassem gesicht, speichelfäden um den mund und diesem eigentümlichen phänomen des dunkelheitsleuchten in den augen. sie ging zum absatz der großen freitreppe, welche zum foyer im parterre führte. sie klammerte sich fest an das schmiedeeiserne geländer, für einen moment schien sie zu schwanken, dann tat sie einen schwung und stürzte kopfüber ins leere. kein schrei, kein rudern nur ein hohler dumpfer schlag und ihr schädel war geborsten.

ein schrilles lachen brach sich in der großen halle. es war mein eigenes.

Samstag, 17. Juni 2006

lerche und rotkehlchen

Wir schliefen, aßen und wir lernten, wir töpferten und lasen, wir sangen und schwiegen und beteten und beobachteten die größeren von uns, wie sie den garten bearbeiteten unter den strengen blicken der flores-schwestern. die kartoffeln wurden gegraben und die rüben gezogen. dann fielen die letzten äpfel. die wochen zogen dahin, die wolkenbilder am himmel welchselten größe, farbe struktur, die sonne ging dahinter auf oder auch davor, ging unter und wieder auf, unter, auf. mal zeigt sie sich gar nicht, malte den tag in einem nichtsdurchdringenden nebelgrau. november.

es war samstag und wir hatten ausgang. als schülerinnen der letzten klasse war es uns gestattet, das gelände nach dem mittagessen verlassen. ohne besondere erlaubnis mussten wir uns um sechs allerdings wieder einfinden. So traten wir hinaus, spannten ein schirmchen auf, gerade große genug, um zwei dicht gedrängte köpfe zu beherbergen.

ein mosiger steig führte vom kloster direkt hinab ins tal. es gab auch eine straße, doch der weg war viel zu lang für unsere kostbare, kurze zeit. doch regnete es schon seit tagen und wir hatten angst, auf dem nassen, steilen pfad auszugleiten und uns unsere kleider zu beschmutzen. denn auch dies hätte nur wieder schmach und strafe für uns bedeutet. schweren herzens entschlossen wir und also für die straße, die sich grau und träge den berg hinabwälzte. schon waren die klostermauern ausser sicht, da plötzlich näherte sich ein wagen. Es war einer jener teuren, edlen und sehr vornehm dukelgrauen mercedes automobile, wie ihn auf rebeccas vater fuhr, ein reicher, zum katholizismus konvertierter jüdischer bankier, der der letalen phobie unserer damals jüngsten vergangenheit glücklicher weise zusammen mit der familie in seinem schweizer exil entkommen war.

etwas war anders mit diesem wagen. so hatte er keinen kofferraum sondern war im fond langezogen. seine hinteren fenster verhüllten gardinen von der gleichen farbe und beschaffenheit des novemberhimmels, welcher schwer und müde über unseren köpfen spannte. der wagen zog mit uns gleich und verlangsamte seine fahrt. ein fenster wurde heruntergekurbelt, daraus es sogleich ein einem fort sprach: wohin des wegs, ihr schönen? ins dorf, auf zu großen abenteuern? ihr seid sicher schülerinnen der ehrwürdigen schwestern. und ihr habt heute ausgang. eine anständige sitte, soll man doch hübsche junge nymphchen wie euch nicht wegsperren, sonst werdet ihr am ende noch verstockte alte jungfern.

ich schaute zu rebecca, rebecca schaute zum fenster und ein mann schaute daraus auf uns. er lächelte und sprach sogleich weiter: „ihr werdet es nicht gut haben unter eurem paraplue, reicht er doch kaum für einen kopf wie den meinen. wenn ihr mögt, dann chauffier’ ich euch ein stück des wegs? nun? oder habt ihr etwa angst?“

mit dem automobil hätten wir ein gutes stück unserer verlorenen zeit wieder eingeholt, ja vielleicht sogar noch etwas dazu gewonnen. also willigten wir ein, wohl ein wenig zögerlich. doch der vornehme herr entstieg seinem wagen und bat uns nach hinten, öffnete die flügeltür des fonds und wies uns an, hinauf zu klettern. darinnen lag nichts als ein paar purpurne und schwarze kissen. darauf sollten wir es uns getrost bequem machen.

so fuhren wir eine kleine weile wie in einem holzkarussell, mal rechts herum, dann wieder links und immer bergab. aber dann... der wagen verlangsamte seine fahrt, kies knirschte unter seinen schweren rädern. stille. knirschende schritte brachen die stille.. eine zweite stimme. gemurmel. niemand öffnete uns die tür. und wir wagten nicht, es selbst zu tun. und endlich wieder knirschte der kies unter eiligen schritten. die hecktüre öffnete sich und der feine herr – er trug übrigens einen cut aus feinem englischen tuch in der art, wie mein vater ihn liebte – der herr also ließ uns aussteigen. wir befanden uns auf dem kiesbedeckten platz vor einer villa, deren massiger quader weiß dem novembergrau des himmel trotze. eine breite steinteppe führte zum eingang. doch unser wohlmeinder fahrer wies uns einen anderen weg. vorbei an buchsgesäumten rabatten, in denen immergrüne bodendecker dem nahenden winter die stirn baten. dann sahen wir die kleine grüne tür. das war nicht der ort, den zu besuchen wir uns vorgestellt hatten. aber wir wussten auch, dass wir, was immer uns hier jetzt erwartete, keine andere wahl hatten als das spiel zu spielen, dessen karten unser gastgeber längst gemischt hatte. und verteilt, wie wir gleich sehen sollten.

hinter der tür befand sich eine schmale treppe. ein modriger geruch verriet uns, dass sie uns in den keller bringen würde. rebecca drängte sich dicht an mich, im dämmerlicht des kellerkorridors funkelten ihre augen wir die einer katze, der man ein streichholz vorhält. auch mein herz wurde klamm. doch schon befanden wir uns in einem hohen raum. überall waren kerzen aufgestellt, große, liliengeschmückte, wie man sie in der kirche findet. An den wänden feiner stoff, eierschalener seidengrund mit allerlei gefiedertem getier, très japonais. den boden deckte ein weicher, schwarzer flor. und in der mitte stand ein sarg, groß, schwarz, offen auf einem schweren marmorsockel. darin kissen von der gleichen art, wie wir sie schon im wagen gesehen hatten. da seltsamste aber war der deckel. er bestand aus zwei gleich großen teilen.

unser gastgeber lächelte traurig. und dann goß er erneut worte über uns aus: „ich kenne die regeln eurer erziehungsanstalt sehr wohl. meine schwester war mit dem kloster sehr vertraut auch sie wurde dort erzogen, meine über alles geliebte schwester. ihr zum gedenken habe ich dieses refugium errichtet. denn keinen tag mehr als 25 jahre hatte unser schöpfer für sie übrig. wir alt seid ihr, meine nymphchen? nun, keine angst, ihr sollt kein opfer meiner rache für das kurze, blühende leben meiner schwester werden, ich möchte euch einzig bitten, mir bei meiner andacht für sie eine weile zur seite zu stehen. niemand wird etwas erfahren. Wollt ihr, o ja bitte, sagt ja. ja ich sehe, ich sagt ja. oh bitte kommt, meine vögelein, lasst mich euch ein paar angemessene kleider bringen.“

er reichte mir einen dünnen weißen umhang, knopflos und aus seide und einen purpurseidenen schal. rebecca aber brachte er einen schwarzen kaftan. ein langer schlitz reichte vom gesäß bis zu den knöcheln. er führte uns hinter einen paravent, bat uns diese kleider anzutun, und nur diese. dann ging er hinaus.

als er wieder eintrat, wir warteten bereits nach seinen wünschen gekleidet dort, wo er uns verlassen hatte, wussten wir zunächst nicht, ob wir seine maskerade zum lachen oder zum schrecken finden sollten. auf dem kopf trug er einen federbusch in den farben des eichelhähers, die augen verbarg er hinter einer schwarzen maske. dazu trug er immer noch den cut, mit einem silbernen kummerbund um den nackten bauch. und auch der rest seines körpers war bloß bis auf die füße, welche in vogelkrallenähnlichen pantoffeln steckten. rebecca schrie verzweifelt auf, als er nach ihr griff, wollte sich entwinden doch schon ergossen sich beruhigende worte in ihren nacken: „komm, meine kleine lerche, hab keine angst, wir werden fliegen, ganz hoch, ganz weit und du wirst dich frei fühlen, ganz frei. ich weiß es, denn ich kann zaubern.“ und zum beweis schwang er sein erregtes glied wie ein magier seinen stab. Er führte uns nun zu dem sarg und hieß mich hineinsteigen. „komm, mein vögelein, streck dich nur aus, komm, lehn dich zurück, ja, so ists gut, schön tief in die kissen“. er drapierte die purpurne schärpe über meiner brust. dann zwang er meine schenkel auseinander und bat mit sanfter stimme, sie über den sargrand zu spreizen. er beugte sich dicht über mein gesicht, schürzte die lippen. ich schloss die augen, erwartete seinen kuss und meinen schrei, doch beide kamen nicht, sein mund wanderte tiefer und presste seine haarigen lippenwülste gegen meine haarlosen lustlippchen. sanft, kühl und zungenlos. etwas in mir jubilierte, vibrierte, da war sie wieder, die lustvolle angst des verbotenen, ja vielleicht sogar tödlichen vergnügens. ich war versucht, mich ihm entgegenzurecken. da wand er sich ab und rebecca zu und bat sie höflich, sich auf den sockel zu knien.

„andacht erfordert kniefall. erfordert demut. neige dein haupt, meine lerche, presse es in den schoß deiner gefährtin. und nun lass mich dich verzaubern. ich möchte, dass ihr singt, meine vögelchen, lasst uns jubilieren, du meine lerche, du! teile deine freuden mit meinem rotkehlchen. auf das auch es singen mag so schön es kann. singt meine vögelchen, singt auf. es kann euch niemand hören.“

und er stieß rebecca von hinten, sie schrie und er nahm ihren kopf und drückte ihn auf meinen lustmund und er schnappte und öffnete, entwand sich und wurde zurückgezwungen und ich spreizte und er stieß und rebecca schrie und blut lief über ihre beine und er stieß und krähte und scharrte mit den pantoffeln und rebecca schrie und entleerte sich und er krähte lauter und presste ihren mund wieder auf meine scham und ich spreizte und wand mich ihr entgegen und erfuhr ihre zunge, ihre zähne, reibend, fliehend und ihr mund stöhnte und ihr atem rann über meine scham und flutete sie und er stieß langsamer und sie gab auf und wurde gefügsam und öffnete ihren mund und schrie nicht mehr und leckte den süße salzgen lustsaft und ich schrie und er rief, „sing mein rotkehlchen, flieg meine lerche.“ und ich schrie und sang und sang und rebecca sang und flog, flog höher kam zurück und ich sang und flog ihr entgegen und er sang und flog tief in rebecca. und ich sang nicht mehr und rebecca flog nicht mehr und er krähte nicht mehr und zauberte nicht mehr, doch sein stab steckte in ihr und ich stieß sie von mir, mein gesang war zu ende sie sanken zu boden und lösten sich doch nicht.

„oh mein rotkehlchen, hilf mir, zieh mein schwert , befrei es, sei mein könig artus und ziehe das schwert aus dem stein.“ und ich ergriff den schaft und zog es und es glitt heraus, blutig und fest und ich hätts gern genommen und wieder versenkt. rebecca aber erhob sich weinend, zitternd und verlangte nach wasser. und er tränkte sie, legte sie auf die kissen und nahm mich beiseite tadelnd. „nein mein nymphchen, mein gutes rotkehlchen, dein schatz soll noch verschlossen sein, der rubin soll nicht fließen, nicht eher, als bis ich glaube, dass du reif bist. du bist auserwählt, mich zu retten, mir die schwester zu sein, die mich verließ.“ dann zog er eine uhr aus der tasche seines cuts und bestimmte, dass es zeit für uns wäre, uns wieder anzukleiden, wenn wir uns denn nicht verspäten wollten.

schweigend stiegen wir in unsere kleider und ich wusste nicht, wie ich rebecca hätte trösten können. unser gastgeber fuhr uns zurück bis zu der stelle, an der wir uns begegnet waren. zum abschied drückte er uns die hände. es fühlte sich seltsam an. als wir sie wieder öffneten, lag ein gefalteter geldschein darin.

von diesem tage an würde ich vorsichtiger sein

Freitag, 16. Juni 2006

Neue erkenntnisse

Nachdem die aktivitäten meiner kleinen, dünnen fingerchen nun entdeckt worden waren, musste ich nach neuen wegen suchen, meiner experimentierfreudigkeit zu mehr freiheit zu verhelfen. eine davon waren die täglichen mittagsschläfchen, zu denen ich noch weit bis ins schulkindalter verdonnert wurde.
„das kind ist reichlich blass“, pflegte meine mutter zu sagen und glaubte, ein stündchen schlaf würde auch bei mir die wiederherstellung dessen fördern, was landläufig unter einer gesunden gesichtsfarbe verstanden wird. doch der grund für meine rosigen wangen und leuchtenden augen lag immer noch an meinen kleinen helferlein, welche mich, sobald sich die tür meines kinderzimmers geschlossen hatte, unter der decke da zu massieren begannen, wo es mir am angenehmsten war. dass ich dabei so gut wie kein geräusch machen durfte und die tatsache, jederzeit dabei entdeckt werden zu können, machten dieses ritual zu einer schieren köstlichkeit.

nach acht volksschuljahren beschlossen meine eltern, meine erziehung von nun an in die hände katholischer ordensfrauen zu legen. so kam ich also in ein internat. ein altes franziskanerinnenkloster, gelegen auf einem hohen berg fern jeglicher irdischer versuchung. 45 mädel in einem klassenraum, in einem dormitorium, im silentium und beim hofgang, welcher meist von schwester leonie beaufsichtigt wurde, einer gestrengen, aber dennoch gerechten matrone mit alterslosem gesicht. sie leitete auch den wöchentlichen töpferkurs, eine willkommene abwechselung unter uns mädchen, da wir hier auch auf kameradinnen der anderen klassen trafen und außerdem freie unterhaltung gestattet war. dies und ein freier ausgang, welcher sich im zweiwöchentlichen turnus vollzog, waren die zunächst die einzigen freuden, die mir und meinen leidensgenossinen zu teil wurden.

in dieser zeit freudete ich mich mit rebecca an, einem dünnen, schüchternen mädchen mit langen aschgrauen zöpfen und hellbrauen augen in einem fahlem gesicht. Ihre lidränder waren von einer farbe, welche johannisbeeren inne ist, bevor die frucht vollständig gereift ist. oft hörte ich sie nachts in die kissen schluchzen. Sicher war sie genau so unglücklich wie ich.

nun lebte ich schon drei lange monate hinter den mauern dieser schier uneinnehmbaren festung, schon gar nicht von einem so kleinen mädchen wie ich es war. meine kleinen helferlein hatten in dieser zeit nicht einmal die chance gehabt, mir meine gewohnten leibesfreuden zu bereiten. da, eines nachts, hörte ich es neben meinem bett atmen. Nein, ich hörte es nicht, ich konnte ihn sogar spüren, den zögernden atem, wie er in meinen nacken blies. Ich wandte mich diesem atem zu und da stand sie: rebecca, tränenschimmernde augen, zitternd.

„darf ich zu dir in bett kommen. Ich hab so schreckliche angst.“ ich konnte sie kaum verstehen, so leise war ihr stimmchen. ich hob mein plumeau und rückte behutsam an den rand meiner matratze. mit dem hauch einer bewegung schlüpfte rebecca neben mich unter die decke. nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn eine der anderen aufgewacht und womöglich die aufsichtführende schwester gerufen hätte. ausschluss vom töpferkurs für mindestens drei wochen oder gar eine monatliche ausgangssperre.

so lagen wir denn eine weile dicht an dicht gekuschelt und wagten kaum zu atmen, geschweige denn, uns zu bewegen. und da war es plötzlich wieder, dieses gefühl, dieses erregende des nicht erwischt werden dürfens.

„rebecca, darf ich dir was zeigen?“ und ohne ihre antwort abzuwarten, ließ ich die helferlein der linken hand unter ihr nachtkittelchen gleiten. rebecca sprach nicht, bewegte sich nicht, nur ihr atem wurde schneller, ein wenig lauter. meine fingerspitzen begannen zu vibrieren, ich spürte meine zunge über meine lippen gleiten. wie von selbst fuhr meine rechte, freie hand an die lippen des tieferen, nasseren mundes ...

so spielte ich mit ihr und mir und wir beide lagen still und atmeten flach und unsere körper waren wie zwei elektrische teilchen, flirrend, suchend, wollen, doch äußerlich ganz unverdächtig. zwei brave zehnjährige mädchen, zusammengerückt wegen eines schlechten traumes, der sie hin und wieder ein wenig aufstöhnen lässt, sie einen leichten duft verströmen lässt und leise erzittern.

wir wurden nicht entdeckt in dieser nacht und auch in keiner anderen. und nicht am tage beim gartenschuppen, ja wir schafften es sogar unter den augen der wachsamen, strebsamen strengen franziskanerschwestern, uns unbemerkt an unseren wunderbaren stellen zu berühren bis unsere hände nass wurden.

und es kam, wie es kommen musste, ein paar jahre später, es war november, wir hatten ausgang. aber davon erzähle ich morgen...

Donnerstag, 15. Juni 2006

erste übungen

Jeder fängt mal klein an. dieser unumstößlichen erkenntnis konnte auch ich mich nicht entziehen. so wurde ich denn geboren wie alle menschen, vielleicht etwas größer als einige und etwas kleiner als manche. ein durchschnittlicher säugling mit einem durchschnittlichen gewicht von sieben pfund und einer überdurchschnittichen länge von 59 zentimetern.

eine absolute ausnahme allerdings war der sommer, in dem es geschah. noch heute berichten die alten von müttern, die ihre babys in die keller brachten, um sie so vor der alles verdorrenden hitze dieses junimonats zu schützen. auf diese weise erfuhr ich bereits früh meine feuertaufe, weshalb ich bis heute dem irrsinn dieser welt meisterlich die stirn bieten konnte.

ansonsten verlief meine kindheit eher unauffällig. das schicksal warf mich in ein großbürgerliches heim, papa ökonom, die mutter hausfrau - nicht ganz, hatten wir doch personal, welches zu beaufsichtigen eine ihrer lieblingsbeschäftigungen war. ein glück für mich, gab es mir doch zeit für ein gelegentliches luftholen zwischen langwierigen dressurakten bürgerlicher sozialisation und mütterlicherseits verordneter küssorgien mit alten tanten.

luxus und langeweile garantiert. so dauerte es nicht lange, da versuchte ich dieser ödnis durch spiele an und mit mir selbst zu entfliehen. leider wurde ich entdeckt und somit alles unternommen, dieser obsession in ihrem gerade aufkeimenden stadium bereits den garaus zu machen. gottseidank war dr. freud bereits tot – meine eltern hätten mich in ihrer besorgnis sicherlich zu ihm geschleift und genau so sicher hätte er aus meinen unbeholfenen versuchen der klitorisstimulation die diagnose „penisneid“ eruiert – dass männer ja nicht anders denken können, hab ich allerdings erst viel später erfahren.

doch davon erzähle ich morgen

Mittwoch, 14. Juni 2006

umzug abgeschlossen

"unser dorf soll schöner werden" - das hat sich bürgermeister s. auch auf seine fahne geschrieben. große säuberungsaktion. also rauf mit den gerüsten, ran an die farbeimer und her mit den blumenkübeln. aber halt - was machen wir denn nur mit dieser...

keine angst. ganz leise hab ich mein köfferchen gepackt, meine katze ins heim gegeben, meine lustigen taschenbücher der caritas vermacht und bin davon geschlichen. vorher noch kurz zu meiner besten freundin lulu, meine cylindropuntia tunicata gegen einen mojito getauscht - ja leute, was sein muss, muss sein - und jetzt steh ich hier, wohl wissend, dass ich nur losplaudern muss, wer wann die hosen runtergelassen hat.

aber fangen wir von vorne an - gleich morgen.

noblesse horizontale

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