Donnerstag, 1. Februar 2007

dr. gaertner

Ich spüre etwas hartes unter mir, ist es holz? ich weiß es nicht. mein kopf schmerzt und die augen wollen sich nicht recht öffnen. von irgendwo her spricht eine männerstimme, „nun mein Fräulein, wie geht es ihnen?“ sie scheint mich zu meinen, ich kenne sie nicht.

ich finde mich wieder im speisesaal, auf dem boden liegend, ein leichtes tuch spüre ich, notdürftig über meine füße gelegt – doch ein gefühl, sei es noch so unbestimmt, will sich nicht einstellen zu dem diffusen schmerz in meinem kopf, ihn nicht verdrängen, nein, es ist noch nicht da, das, was man gemeinhin das bewußtsein nennt.

meine augen schaffen es langsam, nicht nur offen zu bleiben, sondern mir auch konturen zu liefern, allein das sehen will nicht recht gelingen. und da ist sie noch einmal, die stimme und eine hand kommt dazu, die nach meiner greift, dann legen sich finger auf mein gelenk, die stimme murmelt ein paar zahlen, etwas helles leuchtet in meine augen und sahen sie eben zumindest noch schemen, so ist da jetzt nichts als ein wanderndes, dunkles blau.

ich setze mich aufrecht, reibe die augen, die sich entschließen, ihren dienst wieder aufzunehmen. jetzt sehe ich den mann zu der stimme, vor mir auf dem boden hockt er, eine schwarze ledertasche mit metallbeschlägen. um den hals ein stetoskop. nur eine schwäche, mein fräulein, nur eine schwäche. haben sie vielleicht zu viel getrunken?

sylvie, sylvie...

wie meinen? wer ist sylvie?

blut, überall. tot, man hat ihr die kehle.. wo ist martin?

martin? ich bin dr. gaertner. josef gaertner.

martin soll kommen, und yussuf. sie werden erklären können...

und dann schütttelt es mich und heiße tränen bahnen sich den weg. ich will aufstehen und höre mich rufen, mmer wieder: „ sylvie, martin, wo bist du?“ und dr. gaertner legt den arm um mich, hält mich am boden, reicht mir ein taschentuch, darauf sind buchstaben gestickt.

und dann ist er da, martin, in hut und mantel, die schuhe befleckt mit feuchtem lehm, man sieht sie auf dem boden, abdrücke, dunkel. und dr. gaertner lässt von mir, erhebt sich, fasst martin bei der schulter wie einen lieben freund – und war da nicht ein zwinkern? oder doch nur ein leichtes zucken. die nerven vielleicht, die fahrt, nein, das alles war nicht schön.

Ich strecke ihm die arme entgegen, ein kind, dem der vater heimgekommen, lang ersehnt und dr. gaertner stumm daneben, wie die mutter, die sich freut, ganz leise und dann dreht er sich um, bückt sich nach der tasche, die ordentlich gewartet hat, weit geöffnet, die nötigen utensilien bereit für die flinke hand, die sich danach reckt, bei bedarf. doch da ist nichts, so wird sie denn geschlossen, so wie auch martin seine arme um mich schließt, sein mund an meinem ohr, ganz dicht ganz warm und so gebe ich mich hin, ihm und meinen tränen, die immer noch rinnen. und wir küssen uns und ich bin froh und schon scheint alles vergessen, wir stehen und ich fühle nur, ihn allein und niemand ist um uns. da löst er sich einen schritt weit, nimmt meine hände - oh, wie sind die seinen doch so kalt : „ach bitte, ich kann nicht bleiben, sylvie, etwas muss geschehen, ich habe..:“ er verstummt und meine augen flehen, er sieht es und sagt doch nichts und nimmt mich wieder fest an sich, schiebt mich vor sich her, hinaus aus dem speisewagen und zurück in sein abteil. ein kuss, flüchtig die wange gestreift und schon ist er an der tür und hinaus und seine schritte eilen hinfort. ich lausche ihnen nach bis zum verstummen, doch schon sind dort neue, festere, entschlossene und es klopft an der tür . ich erhoffe yussuf oder befürchte meinen neuen verehrer, den verfechter der haarlosen lüste. doch es ist dr. gaertner. lächelnd, die väterliche hand auf bebender schulter, meiner schulter. ich lächele zurück, mein zaghaftes zugeständnis an die hohe kunst studierter männer, doch er missversteht es als aufforderung nicht an den geist, wohl an den körper. da sitzt er nun neben mir, seine hand mit vertraulicher geste auf meinem knie, eine wohlgeformte hand, schmal, die finger lang – man müsste klavierspielen können, ganz sicher, diese finger wären ein wahrhaft prächtiger schmuck einer jeden tastatur, und nun spielen sie auf meinem schenkel, elfenbein?

war da eben noch zittern, so kehrt es nun wieder, nicht schmerzvoll, nein dankbar. und mein körper sinkt, weiche decken, mein bauch wölbt sich den spielenden fingern entgegen, pianissimo, aber portato, dann crescendo, adagio, glissando... und dann ist es ein konzert zu vier händen, wassermusik, nass und wogend und dann pfropft er sich auf, der reis und unsere stimmen begleiten das virtouse fingerspiel... sforzato, sforzando, ritardando – ein melismatisches duett al fine....

noblesse horizontale

ein callgirl erinnert sich

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