Dienstag, 1. August 2006

nachtlager teil i

Doch die scheinbar schreckensreiche lächelt gnädig, lässt mich noch kleiner fühlen, und bietet mir zu rauchen an. nie zuvor hatte ich das bedürfnis verspürt, vor meinem mund ein kleines feuer zu entfachen, doch jetzt musste abel es mit kain aufnehmen – wessen rauchopfer würde schlussendlich gewürdigt? so griff ich nach dem dargebotenen, selbst der schachtelmatrose schien entzückt. martins flämmlein spiegelte sich in seinen gottverfluchten augen, der teufel soll mich holen und wie er beißt, der raue qualm, ob der zugwagen mit mir um die wette bläst?

- das fräulein tochter, nehme ich an?
welches spiel ist das, wie sind seine regeln? martin widerspricht auch diesmal nicht, und wenn man ihn doch so offensichtlich kennt, warum dann nicht seine tochter?
- ich habe von ihnen gehört, meine liebe. kein mann kann seine sünden vor mir verbergen, und seien sie noch so gering und heimlich getan. doch meine hochachtung. ihr vater hat auch hier geschmack bewiesen, von ihm ist wenig an ihnen, vielleicht etwas von dem verstande, nützlich wär dies allemal.

es ist gut wie sie so redet, mein rauchopfer verfliegt ungesehen, erspart mir regelmäßige inhalation, der schwindel legt sich, ich werde müde. die blaue dame haucht meinem vaterersatz einen kuss auf die wange und einige wörter in sein ohr, sein blick wird starr, yussuf streift die szene mit dem serviermobil, martin flüstert etwas zurück, der teewagen klappert, dann schlägt etwas von unten gegen den waggon, und noch einmal, es ruckt, geschirr fliegt und mit ihm die blaue dame, die reste meines kaffees malen braune wolken auf das tafelweiß. dann steht der zug und mit ihm die blaue dame wieder auf. und yussuf entfernt seine mundwinkel der schwerkraft und der situation zum trotz weit voneinander und hoch nach oben.

der schaffner kommt, seine knöpfe sind immer noch blank, doch fehlt ihm jetzt der hut und mit ihm auch die würde. eine weiche sei falsch gestellt, der zug auf ein nebengleis geraten, hier müsse er nun stehen bleiben, sicher für ein paar stunden, niemand von der bahn sei abkömmlich, man murmelt sabotage, und die verantwortung für den zug liege schließlich bei den engländern und nicht bei der deutschen bahngesellschaft. so etwas käme bei den deutschen ja auch ganz sicher nicht vor und wer könne denn auch interesse an einem anschlag haben, nein das seien ganz sicher die russen, ja und wozu der so alles fähig sei, der russe, das hätte man in der letzten zeit ja schon so oft erfahren.

so schaue ich denn durch den speisewagen und suche nach dem verfehmten russen, dem übeltäter und fluchtverhinderer, aber auch diesmal ist martin der retter. er bittet in sein privates compartement, schlafwagen, die nummer 52, sein glückslager. und mein herz schlägt schnell und mein kopf wird heiß und meinen busen drängt es nach der fremden brust, nach fremden fingerspitzen, die das terrain ertasten, immer und immer wieder, bis es schließlich ganz vertraut geworden ist.

da folge ich ihm und der blauen dame denn auch willig die schmalen korridore entlang, von waggon zu waggon bis wir schließlich zu abteil 52 gelangen. schlafwagen 3309 geht mir durch den kopf. es wird wohl kein schneesturm kommen. und wenn und da öffnet sich die tür und ich fühl mich versetzt in ein abenteuer, das nicht sein kann, nicht in dieser zeit, es gibt ihn doch nicht mehr, nicht in dieser form und doch ist er da, der schlafwagen mit den intarsien und den betten nebeneinander, daran der waschraum und ein apartement mit einem bequemen fauteuille, humidor in der lehne inklusive. jetzt verwirrt es mich schon nicht mehr, dass auch die blaue dame mit von der partie sein wird, eine hoffentlich formidable nachtpartie. doch da wendet sich martin bereits wieder zur tür, flüstert der blauen dame abermals etwas ins ohr, sie nickt, er verlässt uns und sie kommt zu mir herüber, nimmt meinen arm, drängt mich auf der seidenen tagesdecke platz zu nehmen.
-unser freund hat noch etwas zu erledigen. Gleich wird yussuf kommen. eine erfrischung für die nacht.
und dann bietet sie mir erneut eine zigarette an, nimmt eine für sich selbst und da ist sie auch schon umarmt von dem herrlichen sessel. sie kreuzt ihre beine, wunderschön, durch die zarten strümpfe haarlos, so ziehe ich meine noch ein wenig fester an mich heran, halte die zigarette ungeschickt, spüre abermals die tückische röte in mein gesicht steigen, mein gegenüber nimmt es amüsiert, steht auf, streckt ihre hand aus, ergreift die meine einen moment lang innig, zärtlich, dann wieder fest, fixiert meinen blick, in ihren augen reflektionen abertausendfach, die laternen der herbeigeeilten monteure, so vermute ich und dann sagt sie ganz freundlich: „ich bin sylvie.“
-therese, bringe ich zustande und da klopft es auch schon an der tür und herein kommt, nein, nicht yussuf, der ersehnte, es ist der schaffner. schon will ich erschrecken, da lächelt er und zeigt auf ein tablett in seiner hand, darauf drei gläser und zwei karaffen, wein in der einen, sodawasser in der anderen, stellt alles auf ein tischchen beim sessel. dann hält er sylvie ein couvert entgegen. sie öffnet, zieht eine notiz heraus, liest, atmet heftig, lächelt, dass es einen gefrieren möchte und knüllt das blatt mit solcher macht, als gelte es einen leibhaftigen feind zu zerschmettern. der schaffner hat von all dem nichts gesehen, er macht sich an seiner jacke zu schaffen.
-der herr breslauer hat mir gesagt, die damen hätten etwas schönes für mich, ich solle sie nur aufsuchen, es solle mein schaden nicht sein. nun, da bin ich und ich habe weit erbaulicheres für uns als nur ein wenig wasser und wein, auch wenn der wein – zugegeben - einer der besten ist, die der keller unseres haus – und er sagt tatsächlich „keller“ und „haus“ – zu bieten hat. da hält er schon einen gerollten packen in der rechten, legt ihn neben mich auf das bett und macht sich daran, seinen inhalt zu entrollen. ich will meinen augen nicht trauen, zum vorschein kommen seife, ein pinsel und ein rasiermesser. mit einem solchen logiergast für die nacht hatte ich nicht gerechnet.

noblesse horizontale

ein callgirl erinnert sich

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danke DIR NOCH MEHR
beeindruckend und toll geschrieben.......
roman libbertz (Gast) - 23. Feb, 15:48

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