Samstag, 22. Juli 2006

speisung

Man beobachtet mich. so muss ich denn meine wunderbare speisung mit vorgeblicher unlust behandeln, zögernd gabel um gabel zum munde führen, obgleich ich das gute hühnchen mit samt reis und bohnen am liebsten mit dem spaten in mich hinein geschaufelt hätte. und wieder lächelt mein gegenüber, das gesicht wird von bissen zu bissen glatter, die augen wach und die pupillen weit. ich fasse nach dem weinglas, da berührt seine hand die meine, und da ist sie wieder, diese lust des heimlichen, doch ich bin verändert und meine hand weicht und zieht das glas davon, der wein schwappt hoch gegen den rand, doch da ist der kelch bereits an meinen lippen. ein duft von altem eichenholz und veilchen, dann wärme auf meiner zunge, ich kaue den schweren wein und lasse ihn dann hinab durch meine kehle. wärme auch hier, und weiter in meine brust, die glieder werden schwer, doch nur einen flüchtigen augenblick. und ich schaue tief in diese neu erkannten augen und kann nicht mehr fort und ganz plötzlich wird mir angst.

- dein name?
- bitte?
- ich habe dir meinen namen gesagt. jetzt möchte ich deinen wissen.
- therese.
- therese?

ich nicke und erlege dabei ein paar bohnen mit meiner gabel. yussuf chauffiert einen großen servierwagen durch die reihen, darauf verschiedene schüsseln, platten und körbchen mit obst, cremespeisen und torten.

„eine wunderbare stückschen tarte für wunderbare fräulein tochter?“ und da steht sie auch schon, die schwarzwälder kirschtorte, ein stück davon auf einem zierlichen teller aus weißem porzellan. und jetzt erst bemerke ich das viele weiß um mich herum und die angst tauscht sich aus gegen einen diffusen schmerz irgendwo zwischen kehle und magen und es ist nicht der wein und nicht das essen, ich wünschte, es wäre der mann, dieser indifferente mensch, der mich verwirrt.

„therese“ sagt dieser und spricht es französisch. und noch einmal „therese“, wie ganz von ferne und ich blicke auf und draußen dämmert es. die landschaft verliert an kontur sowie das gesicht vor mir. meine hände halten sich an glas und gabel fest und ich weiß nicht, welches ich zuerst an den mund führen soll. Mein blick wandert umher auf der suche nach etwas anderem als weiß und da sitzt sie am ende des speisewagens, eine dame unter einem königsblauen hut mit straußenfedern. darunter eine stimme, laut und leicht gewöhnlich, aber mit offenem timbre. und dann lacht sie, lacht und dieses lachen schwingt zu mir her, nimmt meine angst, wirft sie fort und steckt mich an.

„therese, sie bezaubern mich.“ er nimmt meine hand, zwingt mich, sie von dem glase zu lösen. „darf ich sie fotografieren. ich will sie so, mit diesem lächeln, ich will das es bleibt. bleibt auf ihrem gesicht und niemals mehr fortgeht.“ und dann zieht er einen seltsamen dicken stift aus seinem jackett, ganz silbrig ist er dieser stift, hat einen verschluss, den schaubt er ab und dann legt er den stift vor sich hin, schaut versonnen, lächelt und schaut und es schnurrt ein wenig, dann schraubt er wieder und der stift verschwindet zurück in die kleider.

- mein liebstes spielzeug, therese. ein geschenk meines besten freundes.
- damit kann man fotografieren?
- ja.

und wieder eilt yussuf herbei, flink wird das geschirr gestapelt und schon ist es abgeräumt, ein wedel fegt hurtig über das tischtuch, und da stehen auch schon zwei tassen mokka vor uns auf einem silbernen tablett und wieder ein wimpernschlag und dazu gesellen sich milch und zucker in viktorianischem silber. da erschallt wieder dieses lachen, der hut erhebt sich und die federn wippen im takt der schritte, die blaubehütete dame schreitet auf hohem absatz in weiße seide gehüllt, dazu eine handtasche nach der neusten mode, oh, sie raucht, zigaretten, amerikanisch noch in der originalen box. die blaue mit dem seemann, filterlos. aber da ist auch schon die filterspitze, lang, silbern mit schwarzem mundstück. da hält sie an neben unserem tisch, nickt martin zu und da hat er auch schon sein feuerzeug in der hand, sie zieht, stösst den rauch aus durch offene nüstern, ein streitross und in mir, da schmerzt es wieder. verrat, denke ich und betrug, hat sie mich doch eben noch lachen gemacht, wie rasch ist alles doch im wandel...

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danke DIR NOCH MEHR
beeindruckend und toll geschrieben.......
roman libbertz (Gast) - 23. Feb, 15:48

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